Auch bei der ambitionierten CAR-T-Zell-Therapie gibt es Verbesserungspotenzial. Die Auswertung deutscher Registerdaten zeigt außerdem ähnliche Ergebnisse wie internationale Studien.
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Mit der Einführung von CAR-(Chimeric-Antigen-Receptor-)T-Zell-Therapien wurde das Spektrum der Immuntherapien in der Onkologie mit einer stetig wachsenden Anzahl an Indikationen weiter ausgebaut. Jedoch stellen Herstellungsprozesse sowie Toxizitäts- und Rezidivrisiken immer noch relevante klinische Hürden dar. Auf einem wissenschaftlichen Symposium auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) haben Experten zum einen neue Entwicklungen präsentiert, mit denen die Effizienz und die Sicherheit dieser neuen Therapien gesteigert werden könnten. Zum anderen zeigen die Real-World-Daten aus Deutschland zu CAR-T-Zell-Therapien, dass schon viel erreicht worden ist (1).
Gegen den CAR-T-Zell-Escape
Wie man die Effizienz und Sicherheit dieser Therapien weiter verbessern kann, erläuterte Prof. Dr. med. Dimitrios Mougiakakos, geschäftsführender Oberarzt der Abteilung Hämatologie/Onkologie am Universitätsklinikum Erlangen. Zu den Hindernissen für eine wirksame CAR-T-Zell-Therapie zählen neben schweren lebensbedrohlichen Toxizitäten auch eine mitunter nachlassende Antitumoraktivität sowie eine begrenzte Infiltration des Tumors und ein Antigenverlust (CAR-T-Zell-Escape). Darüber hinaus können lokale Wirts- und Tumorinteraktionen mit CAR-T-Zellen die Funktion kritisch beeinflussen, gab der Experte zu bedenken.
Um dies zu meistern, sind neue Ansätze zur Herstellung leistungsfähigerer CAR-T-Zellen mit verbesserter Antitumoraktivität und verminderter Toxizität erforderlich (2).
Denn trotz beeindruckender Fortschritte schreitet bei mehr als 50% der Patienten mit diffus großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL), die etwa mit gegen CD19 gerichtete chimäre Antigenrezeptor-T-Zellen (CAR19) behandelt werden, die Erkrankung aggressiv fort.
Zur Senkung dieses Rezidivrisikos werden derzeit bispezifische Ansätze verfolgt. Die als „duale CAR-T-Zellen“ oder „Tandem CAR“ bezeichneten Therapien sind sowohl gegen CD19 als auch gegen CD22 gerichtet. Sie werden derzeit in klinischen Studien bei rezidivierter/refraktärer akuter lymphatischer B-Zell-Leukämie und dem großzelligem B-Zell-Lymphom erforscht (3).
Ein weiteres vielversprechendes Konzept ist die Anwendung von allogenen CAR-T-Zellen von gesunden Spendern. Die Entwicklung allogener CAR-T-Zellen sei derzeit ein aktives Forschungsgebiet, erläuterte Mougiakakos. Mögliche Vorteile gegenüber autologen Ansätzen wären beispielsweise, dass davon viel mehr zur Verfügung stünden und man die Chargen kryokonserviert für die Behandlung von Patienten aufbewahren könnte.
Zudem ließe sich solch ein CAR-T-Zellprodukt womöglich standardisieren, es gäbe mehr Ressourcen für Zellmodifikationen, etwa eine Kombination aus CAR-T-Zellen, die gegen verschiedene Ziele gerichtet sind, und schließlich könnten die Kosten durch standardisierte Prozesse verringert werden.
Allogene CAR-T-Zellen bergen allerdings das Risiko, vom Immunsystem des Empfängers schnell eliminiert zu werden oder für eine lebensbedrohliche Graft-versus-Host-Reaktion des Empfängers gegen die Spender-CAR-T-Zellen (4).
Adapter-CAR-T-Zellen
Zu den weiteren, neuartigen und noch experimentellen CAR-Technologien zählen Adapter-CAR-T-Zellen. Diese kombinieren die Flexibilität und Kontrollierbarkeit rekombinanter Antikörper mit der Wirksamkeit der konventionellen CAR-T-Zell-Therapie. Derzeit werden verschiedene Adapteroptionen untersucht:
- Fc-bindend,
- TAG-bindend und
- bispezifisch AK-bindend.
Fc-bindend bedeutet, dass die Adapter-CAR-T-Zellen sich jeweils in ihrer Tumorbindungsdomäne unterscheiden. TAG-bindend heißt, sie haben eine extrazelluläre Domäne, die chemisch, enzymatisch oder genetisch gebundene Signale auf tumorspezifischen Adaptermolekülen erkennt. Und bispezifische Ansätze gehen mit einer dualen Spezifität auf ein tumorspezifisches Antigen und einen Immunrezeptor (z. B. CD3) einher, die T-Zellen hocheffizient gegen Tumore machen.
Der modulare Aufbau solcher Adapter-CAR-Systeme könnte einige der derzeit zentralen Probleme der CAR-T-Zell-Therapie hinsichtlich der Sicherheit und des Antigenverlusts lösen helfen, so die Einschätzung von Mougiakakos. Denkbar wären hier Ansätze mit multiplen Zielantigenen oder mit einer höheren Affinität zum Tumor (5).
Positive Signale aus DRST
Prof. Dr. med. Peter Dreger, Oberarzt an der Klinik für Hämatologie, Onkologie, Rheumatologie am Universitätsklinikum in Heidelberg, stellte aktuelle Real-World-Daten von 18 CAR-T-Zell-Zentren in Deutschland aus dem Deutschen Register für Stammzelltransplantationen (DRST) vor. Eingeschlossen wurden erwachsene Patienten über 18 Jahre mit DLBCL, die im Zeitraum von August 2018 bis März 2021 eine zugelassene CAR-T-Zelltherapie erhielten. Ausgeschlossen wurden Patienten, die an klinischen Studien teilnahmen oder ein nicht-zugelassenes CAR-T-Zell-Produkt erhielten, ergänzte der Experte.
In dieser DLBCL-Kohorte betrug das mediane Alter 60 Jahre, 66% der Teilnehmer waren männlich und der mediane Follow-up-Zeitraum lag bei 6,7 Monaten. 137 Patienten (51%) erhielten Yescarta® (Axicabtagen-Ciloleucel oder axi-cel) und 130 Patienten (49%) Kymriah® (Tisagenlecleucel oder tisa-cel). Bei beiden Therapien handelt es sich um gegen CD19 gerichtete Immuntherapien mit genetisch modifizierten autologen T-Zellen.
79% der Patienten erhielten eine Überbrückungstherapie. Ein solches „Bridging“ deckt die Zeitspanne ab, die für die Herstellung der CAR-T-Zellen benötigt wird. In der Regel dauert es einige Wochen, bis die Maßnahmen zur Lymphodepletion eingeleitet werden können. Die Brückentherapie bestand vorwiegend aus einer Kombination aus Chemo- und Immuntherapie (67%), gefolgt von Chemotherapie (13%), Strahlentherapie (11%) sowie Immuntherapie (5%), wie Dreger erläuterte.
Häufige Nebenwirkungen von CAR-T-Zell-Therapien umfassen das Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS), das immuneffektorzellassoziierte Neurotoxizitätssyndrom (ICANS) sowie Zytopenien.
CRS in den Stadien 1 bis 4 traten bei 79% aus der axi-cel-Kohorte und bei 57% aus der tisa-cel-Kohorte auf. Die CRS-Raten aus dem Register waren somit im Vergleich zu den Daten aus der Zulassungsstudie mit 93% für axi-cel und mit 58% für tisa-cel geringfügig niedriger. ICANS der Stadien 1 bis 4 wurden bei 41% unter axi-cel-Therapie und bei 22% unter tisa-cel-Therapie beobachtet. In den zulassungsrelevanten Studien lag der Anteil entsprechend bei 67% und 21%.
Für die Krankheitskontrolldaten in der Gesamtkohorte der 267 Teilnehmer ergab sich folgendes Bild: Die Raten für das komplette Ansprechen (Complete Response, CR) und für das partielle Ansprechen (Partial Response, PR) betrugen jeweils etwa 30%. Das Gesamtüberleben (Overall Survival, OS) für einen Beobachtungszeitraum von 6 Monaten lag bei etwa 69%, das progressionsfreie Überleben (Progression Free Survival, PFS) für den gleichen Zeitraum bei 38%, wie der Onkologe erläuterte.
Laut Einschätzung von Dreger deuteten die vorliegenden Registerdaten darauf hin, dass axi-cel womöglich effektiver erscheine, wohingegen tisa-cel mit weniger Nebenwirkungen assoziiert sei. Allerdings räumte er ein, dass es Unterschiede hinsichtlich der Patientenselektion gegeben habe. Die tisa-cel-Kohorte war tendenziell mit 61 Jahren älter als die unter axi-cel mit 59 Jahren, außerdem waren diese Patienten fragiler, legt man einen Performancestatus >1 der Eastern Co-operative Oncology Group (ECOG) zugrunde (7% axi-cel; 16% tisa-cel). Womöglich war das Stadium der Erkrankung in der tisa-cel-Kohorte bereits fortgeschrittener, sagte Dreger.
Ein ECOG-Status von >1 ist nämlich ohnehin mit einer signifikanten Reduktion des PFS assoziiert. Daher sollte für den Fall, dass eine CAR-T-Zell-Therapie infrage komme, die Komorbidität der Patienten stets berücksichtigt werden, empfahl der Experte. Infolgedessen kommen zum Beispiel kritisch kranke Patienten, Patienten mit prognoselimitierenden Sekundärtumoren, HIV- oder auch HCV-positive Patienten nicht für eine CAR-T-Zell-Therapie in Betracht. Andere Komorbiditäten an Herz, Lunge oder Nieren stellten allerdings per se keine Kontraindikationen dar. Eindeutige Parameter zur Patientenselektion haben sich noch nicht etabliert und sollten stets individuell abgewogen werden, empfahl er.
FAZIT: Registerdaten
Insgesamt entsprächen die Daten aus dem deutschen DRST-Register zur Wirksamkeit und Verträglichkeit in etwa denen aus den zulassungsrelevanten Studien zu den beiden CAR-T-Zell-Therapievarianten. Dies, obwohl tendenziell ältere Patienten mit einem höheren Risiko für ein Therapieversagen und für Nebenwirkungen in der Regelversorgung behandelt worden sind, so das Fazit des Experten. Beide Produkte hätten auch deshalb tendenziell weniger schwere Toxizitäten als in den Zulassungsstudien gezeigt, weil frühe Interventionen mit geeigneten Therapeutika erfolgt seien.
Trotzdem bleiben optimale Managementstrategien für Nebenwirkungen, die mit der CAR-T-Zell-Therapie verbunden sind, von hoher Relevanz. So zeigen Patienten, die sich einer CAR-T-Zell-Therapie unterziehen, zudem ein erhöhtes Infektionsrisiko aufgrund vorheriger Immunsuppression, Chemotherapie oder länger andauernden Zytopenien. Bei Komplikationen im Zusammenhang mit Infektionen und zur Prävention von Infektionen empfahl der Experte ein kontinuierliches und engmaschiges Monitoring (6). Dr. rer. nat. Christine Willen
Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit0522
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